Seit einiger Zeit fällt es mir sehr schwer die Mutter für meine Kinder zu sein, die ich sein möchte. Für das gemeinsame Leben mit Liebe, Achtsamkeit und Geduld brauche ich in den letzten Wochen so viel Kraft- die ich einfach nicht mehr habe.
Also frage ich mich, wo sie geblieben ist. Die Kraft, die Energie und die Freude, die mich bisher durch meine Mutterschaft getragen haben. Und merke, dass sie einfach aufgebraucht ist. Ich habe in den letzten vier Jahren viel gegeben. Seit fast vier Jahren habe ich durchgehend ein (zwischendurch waren es zwei) vollständig zuhause betreute Kinder um mich. Das bedeutet für mich, dass ich in diesen Jahren an den meiste Tagen von morgens bis abends und auch in der Nacht mit ihnen zusammen bin. Auch wenn ich gelegentlich ein paar Stunden am Nachmittag oder gar mal eine Nacht für mich (also ohne meine Kinder) hatte, habe ich ihnen an fast allen Tagen von früh bis spät zugehört, Fragen beantwortet, Launen ausgehalten, getröstet, gesungen, gelacht. Ich habe sie gewickelt, Zähne geputzt, in Kleidung gehüllt. Ich habe ihnen essen zubereitet, fast alle Mahlzeiten in ihrer Anwesenheit gegessen (zugegeben meist geschlungen). Ich habe unendliche Freude und große Schreckmomente mit ihnen erlebt. Ich bin fast jeden Morgen für sie da um sie in den Tag zu begleiten und am Abend begleite ich sie in den Schlaf. Seit vier Jahren reagiere ich auf alle nächtlichen Rufe meiner Kinder. Ich trage sie, ich nähre sie, ich liebe sie. Und sie mich.
Auch wenn das Muttersein nicht mit einem Job zu vergleichen ist, sind in 4 Jahren etwa 10“freie“ Nächte und gelegentliche Pausenstunden wenig. Sehr wenig. Kein Wunder also, dass meine Akkus leer sind. Und ja, natürlich gibt es Mütter, die „halten das viel länger aus“ oder haben ganz andere Belastungen als ich. Vielleicht sind andere schlichtweg belastbarer als ich oder ihre Akkus sind deutlich stärker. Doch ich möchte mich nicht vergleichen. Ich bin ich mit meinen Akkus. Und die sind leer.
Und weil ich die Warnsignale deutlich sehen konnte, habe ich mich entschieden eine Pause ein zu legen. Eine ehrliche, echte Pause. Ohne meine Kinder. Natürlich ist dies nur möglich, weil ich meine Kinder in den besten Händen (mehrere Menschen) weiß.
Heute ist mein fünfter Tag in einem Aschram. Ein Aschram ist ein Ort der Spiritualität. Das klingt abgefahrener als es ist- ich habe hier in den letzten Tagen täglich drei Stunden Yoga gemacht und drei Stunden meditiert. Ich habe gesungen, gegessen und geschlafen. Wann ich wollte und so lange ich wollte. Ich habe ein Buch gelesen und bin spazieren gegangen. Und vor allem habe ich geschwiegen. Ich habe mich in diesen Tagen mit niemandem unterhalten, nicht gesprochen. Nicht etwa, weil es nichts zu sprechen gäbe oder ich kein Interesse an meinen Mitmenschen hatte. Nein, ich habe geschwiegen weil ich es brauchte. Zuhause rede ich von morgens bis abends. Ich erzähle, beantworte Fragen, stelle Fragen, ermahne, staune, entdecke. Alles mit meinen Kindern. Zu jeder Zeit. Ich bin müde vom immer sprechen. Und so habe ich das Schweigen so genossen. Ich habe barfuß im Garten schweigend mein Essen gegessen. Bin schweigend spazieren gegangen. Habe mich um niemanden sonst als um mich selbst kümmern müssen. Habe meine Aufmerksamkeit nicht teilen müssen. Konnte meinen Gedanken nachhängen. Konnte Dinge tun ohne zu erklären, was ich tue. Und warum ich es tue. Ich musste keine Pläne machen, mich treiben lassen.
Und immer habe ich meine Kinder vermisst. Jeden Tag und jede Stunden. Sie fehlen mir. Natürlich. Und ich fehle ihnen. Sicher. Aber wenn sie die Wahl hätten: eine müde, gereizte Mama, die traurig und leer ist. Oder eine Mama, die fünf Tage an einem anderen Ort ist um dann wieder mit vollen Akkus, einem Herz voll Liebe und Dankbarkeit zu haben, was wäre wohl in ihrem Sinne?
Ich bin gerne Mutter und bereit viel zu geben. Aber ich bin auch gerne Jule. Und ich bin nicht bereit alles zu geben, weil das niemandem, zuletzt meinen Kindern, helfen würde.
Warum ich dir diese sehr persönliche Geschichte erzähle? Weil ich dir Mut machen will. Mut machen, gut für dich zu sorgen. Es ist ein Geschenk Mutter sein zu dürfen. Doch es ist auch harte Arbeit und du solltest nicht einmal daran denken dich selbst auf zu geben. Du wirst noch viele Jahre Mutter deiner Kinder sein und deine Akkus sollten gelegentlich die Möglichkeit haben sich auf zu laden. Im Idealfall leeren sie sich nie vollständig.
Du brauchst dafür natürlich nicht zwingender Weise in einen Aschram fahren (wobei das keine schlechte Idee ist), aber setze dich für dein eigenes Wohl ein und überlege, was du brauchst um auch in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren mit vollen Akkus durchs Leben gehen zu können.
Alles Gute für Dich ?✨?
So ein toller Text! Ich danke dir! Ich bin auch oft an diesem Punkt, aber habe leider niemanden dem ich mein Kind einfach anvertrauen könnte..aber ich werde mir jetzt überlegen, was in meinem Rahmen möglich ist ?. Ich denke ein Bad, wenn das Kind schläft ist ein guter Anfang ?. Lg
Hallo, vielleicht wäre eine Mutter-Kind Kur was für euch?
Hab meine sehr genossen, und sie hat mir und meiner Tochter auch nachhaltig viel gegeben.
Viele Grüsse.
Wow! Danke für so viel Ehrlichkeit und Bestärkung! Ich stehe gerade erst am Anfang des Mama-Seins aber mit solch einer Geschichte im Gedächtnis werde ich es hoffentlich nicht zulassen, dass sich meine Akkus mal vollständig entladen. Danke Jule!
Du bist unendlich mutig und dafür bewundere ich dich.
Vielen Dank für das Mit-uns-Teilen!
Und alles Gute für dich und deine Liebsten.
Danke für diesen Text!!!
Wow, das hat mich ganz unerwartet getroffen und ich fühle so intensiv mit dir.
Seit der Geburt meines ersten Kindes vor über 1 Jahr rede ich davon, mehr auf mich achten zu müssen. Seitdem habe ich keine Nacht durchgeschlafen, kuschle und stille und trage die Kleine in den Schlaf, egal ob tagsüber oder nachts. Das Zimmer verlassen funktioniert mal für 10 Minuten, für eine schnelle Dusche vielleicht, sodass ich es nur selten probiere, denn ich kuschle ja auch zu gern! Und der einzige Friseurbesuch in 14 Monaten war mit ihr zusammen, ganz spontan- aber es war auch nur Zeit zum Trockenschneiden, kein Moment der Entspannung.
Ich arbeite seit 2 Monaten wieder und versuche, im Büro die Akkus aufzutanken. Dort kann ich für mich sein und einfach abschalten. Aber wenn sie jetzt bei der Tagesmutter eingewöhnt ist, werde ich mir einfach einen Tag frei nehmen und mal ganz alleine zu Hause sein. Nur für mich. Ohne das Kind, dass ich so sehr liebe, dass ich mich selber immer hintenanstelle.
Danke für deine Worte?
Wow. Ich kann dich so.so.so.so gut verstehen. Auch wenn ich nur ein Kind habe bislang. Auch wenn ich insgesamt nicht an deiner Stelle stehe. Danke für diese entwaffnende Offenheit! Ich wünsche mir, dass sie uns anderen Müttern (in ähnlichen Situationen) das Gefühl gibt, trotz “dem” in Ordnung zu sein, dass es okay, erlaubt und sogar das Gegenteil von egoistisch in genau wie an die Kinder auch an sich zu denken, auch wenn es mittendrin als das abwegigste überhaupt erscheint.
Ich habe förmlich mitgenossen, bei deiner Beschreibung, Danke dafür!!
Liebe Jule,
vielen Dank für dein Mut dich so uns gegenüber zu zeigen .
Ich kann mir so gut vorstellen so was zu machen.
Magst du erzählen wo du warst, wie das heißt dort . Ich komme aus Lübeck und wäre toll wenn ich dafür nicht so weit fahren musste.
Im Internet tauchen viele adresse Untern den Namen …
Wäre toll wenn du mir das sagen könntest .
Liebe Grüße und eine tolle Zeit mit deinem lieben wunsche ich dir .
Ella
Hallo Jule,
Danke für deinen tollen Artikel! Man stellt sich automatisch meistens hinten an. Aber du hast recht das man auf sich und die eigenen Bedürfnisse achten sollte. Sonst fällt es schwer eine entspannte Mama zu sein und die wären wir ja alle gern.
Wo warst du den im ashram?
Liebe Grüße Evelyn
Namaste
Liebe Jule, sehr sehr schön und mutmachend finde auch ich deinen Text.
Deine Akkus sind riesig, riesen groß. Ich bewundere wie du nie aufhörst einen guten Weg für dich und alle zu suchen und auszuprobierst…
Liebe Grüße
Elena
genau so fühle ich mich seit einiger Zeit – leer, erschöpft, müde und immer am reden, zu viel am meckern. Aber ich bringe es auch nicht über mich, einfach mal zu gehen, dabei sagt mein Mann das sogar immer mal wieder. Ich wünsche mir, bald herauszufinden wie meiN Akku sich gut laden ließe. Das täte wirklich gut.
Danke für deine offenen Worte, die haben mich mal wieder wachgerüttelt, dass etwas passieren muss.
Ich kann Dich sehr gut verstehen und mir geht es genauso. Verrätst Du mir, wo Du da genau hingefahren bist? Also wo befindet sich das Aschram? Finde ich wirklich gut, dass Du das für Dich erkannt und gegengesteuert hast. Alles Liebe für Dich
Ich wünsche dir gute Erholung und finde es ganz toll, dass du dich nicht nur so liebevoll um deine Kinder kümmerst, sondern auch um dich!
Liebe Jule,
danke für deine ehrlichen und Mut machenden Worte!
Ich hoffe sehr, dass es dir nach deiner Auszeit wieder gut geht und du gestärkt in deinen Alltag zurückkehrst.
Alles Liebe, Miri
Vielen Dank für diese Worte und deine Ehrlichkeit. Ich bin erst seit 10 Wochen Mama einer sehr temperamentvollen und fordernden Maus, da habe ich bereits in dieser kurzen Zeit gefühlt, wie groß die Gefahr ist selbst gänzlich auf der Strecke zu bleiben und wie mich das Dilemma zwischen der liebevollen Erfüllung ihrer kindlichen Bedürfnisse und der (minimalen) Erfüllung eigener Bedürfnisse innerlich und äußerlich beschäftigt hält.
Respekt dafür, wie du 4 Jahre durchgehalten hast – ich hoffe, selbst einen guten Weg für mich zu finden.
DU BIST SO TOLL!!!
Ich habe keine Kinder… wenn ich doch eines bekommen sollte hoffe ich eine Mutter wie Du zu werden!!!!!!!
Danke….