Dass wir Babys nicht schreien lassen sollten, wissen zum Glück inzwischen fast alle Eltern. Es ist kein sinnvolles Konzept, Babys allein zu lassen, wenn sie schreien oder weinen. Im Gegenteil. Es gibt wissenschaftliche Belege, dass sich dieses Verhalten negativ auf die Entwicklung und Gesundheit von Babys auswirkt. Daran gibt es nichts zu rütteln. Ein Baby sollte nicht alleine gelassen werden, wenn es weint, schreit oder brüllt. Ganz egal, ob der Grund erkennbar ist oder nicht.
In der Arbeit mit jungen Eltern erlebe ich immer häufiger Eltern, insbesondere Mütter, die dieses Wissen in große Not treibt. Denn oft wird aus: „Wir lassen unser Kind nicht schreien!“ (was absolut richtig und wichtig ist!) ein „Unser Kind darf nicht schreien!“. Mütter erleben das Weinen und Schreien ihres Kindes dann oft als kaum erträglich. Sie haben sich fest vorgenommen: das Kind soll nicht schreien (gelassen werden) und bemühen sich redlich darum, die Bedürfnisse des Kindes nach Möglichkeit zu erfüllen und ihnen jederzeit Trost und liebevolle Zuwendung zu schenken. Und doch schreien oder weinen diese Kinder. Manche Kinder selten. Manche häufig. Und dann erlebe ich Mütter, die schildern: „Ich tue alles für mein Kind. ALLES. Wirklich. Ich lasse nichts unversucht und trotzdem… mein Kind schreit.“. Diese Mütter (meist sind es eher die Mütter, Väter gehen damit offensichtlich meist anders um) empfinden dann oft Verzweiflung. Ohnmacht. Sie haben Versagensängste z.B. denken sie: „Wer sein Kind nicht beruhigen kann, ist eine schlechte Mutter.“.
Ich möchte diese Mütter entlasten: Es gibt Kinder, die weinen. Die schreien. Immer mal wieder oder auch ganz schön oft. Als Mutter ist es unsere Aufgabe zu schauen, was dem Kind fehlt und Abhilfe zu schaffen. Es ist unsere Aufgabe herauszufinden, ob unser Kind körperliche Schmerzen hat, die durch die Hebamme und/oder den Kinderarzt/ärztin abgeklärt gehören. Es ist unsere Aufgabe, ihren Alltag so zu gestalten, dass sie sich gesund entwickeln und wachsen können. (Wir könnten uns fragen: Ist dem Baby der Alltag vielleicht zu aufregend? Ist es zu vielen Reizen ausgesetzt? Braucht das Kind mehr oder andere Nahrung? Braucht es mehr Körperkontakt oder liebevolle Zuwendung im wuseligen Alltag?) Und es ist unsere Aufgabe, für unsere Kinder da zu sein. Ganz egal, was sie mitbringen und uns abverlangen.
Aber: es ist nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder nicht auf keinen Fall weinen oder schreien! Das Weinen oder Schreien eines Babys muss nicht mit allen Mitteln verhindert werden.
Was wir jedenfalls niemals tun sollten: ein Baby alleine schreien lassen. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, ein schreiendes oder weinendes Kind, das in einem Zustand von Stress, Angst, Wut oder purer Hilflosigkeit ist, mit all diesen Gefühlen allein zu lassen. Dem Kind wird in dieser Situation keine liebevolle Zuwendung entgegengebracht, die Aufmerksamkeit der Eltern ist nicht (spürbar) bei dem Kind und es ist auf sich alleine gestellt.
Und um den Zusammenhang zu verstehen, müssen wir die Bedeutung des Weinens und Schreiens eines Babys verstehen: Dass Babys weinen und schreien, ist völlig normal und schadet weder der Gesundheit noch der Entwicklung. Auch ganz gesunde und fitte Babys schreien oder weinen mitunter mehrere Stunden am Tag. Die Mitteilungsmöglichkeiten eines sehr kleinen Babys sind sehr beschränkt. Natürlich kann ein Kind recht bald auch nonverbal (also ohne Worte) mit seinen Eltern kommunizieren und die Eltern lernen ihr Kind immer besser einzuschätzen, aber das Schreien oder Weinen ist ein Weg, um sich mitzuteilen.
Wenn sich die Bezugspersonen (meistens die Eltern) immer zeitnah und zuverlässig um das Baby kümmern und versuchen, das Wohlbefinden des Kindes zu erhalten oder wiederherzustellen und mit ihrer liebevollen Aufmerksamkeit bei dem Baby sind, schadet das Weinen oder Schreien dem Baby nicht. Vorausgesetzt, es wird eben nicht allein gelassen. Es muss sich sicher sein: wenn ich um Hilfe rufe (also weine oder schreie), dann ist da jemand, der gibt sein Bestes. Ich bin sicher. Ich bin nicht allein. Was ein Baby nicht braucht ist, dass die Eltern es immer sofort „schaffen“ ,das Weinen und Schreien abzustellen.
Im Gegenteil. Manchmal ist das Baby gut versorgt. Es hat keinen Hunger, keine körperlichen Schmerzen (zumindest keine, die medizinisch behandelt werden müssen). Ihm ist nicht zu kalt und nicht zu warm. Es ist nicht zu vielen Reizen ausgesetzt, hat eine saubere Windel, hat genug geschlafen und auch sonst ist es rundum vollkommen versorgt. Alle Grundbedürfnisse sind gestillt. Und trotzdem weint es. Und das darf es. Das muss es dürfen. Ohne dass die Eltern ein schlechtes Gewissen haben, panisch werden oder einen Riesenzirkus darum machen, dass das Baby damit aufhört.
Ja, tatsächlich glaube ich, dass jedem Baby zustehen sollte, auch einmal weinen zu dürfen. Und zu schreien. Ohne dass da der Druck der Eltern ist, dass das eigentlich nicht ok ist. Weinen und Schreien tut den Kindern nicht schlecht. Sie nehmen dadurch keinen Schaden. Vielmehr ist es ein Gefühl von Sicherheit und Liebe, das entstehen kann, wenn es auch einmal „nicht gut drauf“ sein darf. Ohne dass dann Panik entsteht. Dieses Gefühl können Kinder entwickeln, wenn sie sich nie alleine gelassen fühlen. Nie hilflos. Wenn die Eltern es einfach auch mal halten können, wenn es weint und schreit. Und mit ihm aushalten, dass nicht immer alles gut ist. Denn es muss nicht alles gut sein. Solange wir nicht alleine sind und geliebt werden. Darauf kommt es an. Und das ist der Unterschied, zwischen dem Schreienlassen und dem Begleiten des Schreiens.
Liebe betroffene Mama, wenn dein Baby also wieder einmal weint, dann nimm es zu dir und halte es. Halte mit ihm aus, dass es weint. Wenn du getan hast, was du tun kannst, halte es aus. Sei da. Und halte es aus. Dein Kind wird keinen Schaden nehmen.
Und, liebe Mama, bitte kümmere dich um dich selbst. Dein Baby darf weinen. Aber du musst für dich sorgen, dass auch du keinen (emotionalen oder nervlichen) Schaden nimmst. Sorge für Entlastung, damit du es mit deinem Baby aushältst. Es ist eine wahnsinnige Belastungsprobe des Nervenkostüms, ein Kind öfter oder länger zu begleiten, wenn es weint oder schreit. Wenn du merkst, dass es dich zunehmend belastet, hole andere mit ins Boot. Auch wenn der Vater es anders macht, er macht es gut. Oder die Oma oder der Onkel. Keine Mutter muss es schaffen, ein weinendes Kind alleine zu schaukeln. Natürlich braucht dein Baby dich. Aber es kann nichts mit dir anfangen, wenn du vollkommen ausgebrannt bist. Wenn du vollkommen ausgelaugt bist. Du musst nicht immer stark sein. Du darfst auch Schwäche zeigen. Das solltest du. Auch für dein Kind. Denn du bist ein Mensch. Kein Superheld. Auch wenn man das meinen könnte. Und das ist auch gut so. Kinder brauchen Mütter. Und keine Helden.
Toller Text! Gibt auf jeden Fall Gelassenheit im Umgang mit dem Thema! Sowohl positive als auch negative Gefühle dürfen da sein, auch bei Babies. Liebe Grüße
Wow! Dieser Text nimmt mir sogar nachträglich noch das schlechte Gewissen über die Stunden die ich im Halbschlaf, total fertig mit meinem pausenlos schreienden Baby im Arm saß und immer nur gemurmelt habe “ich bin ja da”. Zu mehr war ich nicht in der Lage und habe mich dabei richtig schlecht gefühlt. Dieser Text ist total befreiend! Danke!
Jetzt sitze ich weinend über meinem Handy…. du bringst es auf den Punkt und bringst so viel von unserem ersten Jahr mit unserem Sohn wieder zum Vorschein. Wir hatten ein Schreibaby. Also wirklich definitionsgemäß. Bis zu acht Stunden am Tag bis zum 7. Monat etwa. Wir haben ALLES abgeklärt, alles erdenkliche untersucht. Alles in Ordnung. Er schreit eben. Es war so unfassbar schwer zu ertragen. Ich hatte keine Hilfe. Meine Familie konnte (wollte) nicht. Freunde konnten auch nicht. Fazit: gestörte Beziehung zwischen Mutter und Kind, p.p. Depression. SSRI. Gesprächstherapie. Und das alles als Fachfrau, dachte ich mir. Und ja, ich suchte den Fehler bei mir. Musste mich bei jedem rechtfertigen, dass ich meinen Sohn 24 h im Arm oder im Tuch trug. Immer wieder: lass ihn doch schreien…. traurig. Meiner Meinung nach müsste es für solche Fälle ein Netzwerk geben. Ich hätte so gerne zwischenzeitlich irgendwo angerufen und gesagt: ich brauche jemanden. Jetzt !!! Ich musste oft meinen Sohn weg legen und kurz das Zimmer verlassen, weil ich nicht mehr konnte und aus Sorge, ihm wirklich etwas anzutun. Ja, dein Text ist toll und auch ich wünschte, ich hätte so etwas viel früher und von viel mehr Mamas gehört. Denn es wird viel zu viel geschwiegen. Mir hat mein Blog und das Aufschreiben und öffentlich machen meiner Probleme sehr geholfen. Ich Danke dir für deine Worte ♥
Wie heißt dein Blog liebe Jana?
LG, Marie
Toll geschrieben liebe Jule! Danke ?
Ein ergreifender Text und ein unbeschreibliches Gefühl ein Baby stundenlang, tagelang, monatelang zu halten, wenn es schreit. Nach 3 Monaten haben wir aufgehört durch das Haus zu tigern. Ich saß einfach mit ihr da. Mein Mann kam eines Abends nach Haus und sagt, was machst du da? Beruhigst du sie nicht? Ich sagte, nein, ich höre ihr zu. Mein Mann, gibt’s du ihr keinen Schnuller? Ich, nein, ich stecke dir ja auch keinen Lolli in den Mund, wenn du mir von deinem 12 Stunden Tag erzählst. Seitdem haben wir sie nur gehalten. Und das bis zu 8 Stunden am Tag und in der Nacht über 18 Monate. Eine schreckliche Zeit und noch heute habe ich Tränen in den Augen, wenn ich daran denke. Wenig bis gar keine Unterstützung hatten wir von Seiten der Familie. Man hört, Babys schreien, das ist normal. Oder lass sie doch schreien. Es gab wenige Momente, in denen ich sie allein lassen musste, weil ich selber am Ende war. Ich war allein, mein Mann arbeitete 10-12 Stunden am Tag. Am Wochenende haben wir uns abgewechselt. Nachts war es besonders schlimm. G. ist jetzt 28 Monate und benötigt immer noch sehr viel Aufmerksamkeit besonders von mir. Ich bin ungeplant schwanger geworden mit F. Er ist 3 Monate und das absolute Kontrastprogramm. Fast jeden Tag sprechen wir über die harte Zeit und verarbeiten dadurch jeden Tag ein bisschen und wissen jetzt endlich “Nein, wir haben nichts falsch gemacht. Wir haben alles versucht und alles gegeben. Es war nicht unsere Schuld!”
Wir haben es geschafft und haben uns nochmals dieser Herausforderung gestellt und sind so froh darüber. Wenn ich nicht ungeplant schwanger geworden wäre, hätten wir uns wahrscheinlich gegen ein zweites Kind entschieden, weil die erste Erfahrung so schrecklich war.
Ich danke dir für deinen Kommentar. Und ich bewundere, wie du mit dem Schreien umgegangen bist. Da kannst du sehr stolz auf dich sein. Ich wünschte sehr, dass ich das auch gekonnt hätte. Vor allem alleine ist dieses extreme Schreien so unfassbar schwer. Du hast das wirklich toll gemacht und noch mehr freue ich mich für euch, dass es jetzt ein zweites gibt und es gut läuft. Wir haben uns noch nicht getraut, an ein zweites zu denken. Unser Schreibaby ist jetzt 26 Monate und wird noch lange alleine bleiben.
Vielen Dank für deine Worte. Gerade heute hab ich sie so sehr gebraucht. Dein Artikel bedeutet mir ganz viel!
Davon gibt es viel zu wenig! Danke liebe Jule. Danke!
Hier war es die ersten Monate auch sehr laut. Und auch heute mit 8 Monaten muss ich immer wieder erklären, wieso ich meinem Baby die Nähe gebe, die es braucht.
Dass auch “negative” Gefühle wichtig sind, wird dann ja im Kleinkindalter auch eine Rolle spielen. Wut, Trauer und Scham, ich bin gespannt wie es bei meinem Jungen wird.
Danke für diesen tollen Text. Ich hatte einige Zeit nach der Geburt meiner Tochter (die wundervoll war) Angst das Haus zu verlassen. Sie hätte ja weinen und ich sie nicht beruhigen können. Was hätten andere dann gedacht? Das machte mir viel Angst und meine Hebamme verstand es, mich vorsichtig hinaus zu locken, wofür ich ihr heute noch dankbar bin. Irgendwann weinte ich mit meinem Baby im Rückbildungskurs – das war komisch, die anderen Mamas haben irgendwie gar nicht reagiert, aber wieder war meine Hebamme sofort da. Auch heute noch habe ich manchmal sorge, dass meine Tochter “draussen” weinen könnte – sie ist ein Baby (oder jetzt langsam kleinkind), das selten weint. Daher verunsichert es mich schnell, wenn sie aus mir unerklärlichen Gründen weint. Ich versuche in Zukunft an deine Worte zu denken. Danke dafür – und ich wünsche allen Mamas ganz viel Kraft, die ebenso das weinen ihrer Babys kaum ertragen.
Auch ich habe Tränen in den Augen. Nach einem sehr unkomplizierten ersten Baby, durften wir im Juli 2016 unser zweites Wunder in den Armen halten.
Die Kleine war aber ganz anders. Hat sehr viel und lange geweint, sich nicht ablegen lassen, an Kinderwagen war nicht zu denken. Dabei hatten wir Vertrauen in uns als Eltern, bei der Großen hat es doch auch so ‘toll’ geklappt…
Nach zwei Monaten wurde es besser, aber sie bleibt sehr sensibel, schläft schlecht und lässt sich kaum ablegen. Ich habe gelernt damit umzugehen und es auszuhaltenes. Aber ich schaffe im Alltag trotz Tragetuch fast nichts anderes. Keinen Haushalt, wenig für mich und besonders schwer fällt es mir der Großen gerecht zu werden.
Und ehrlich gesagt erwartet genau das doch jeder nach der Babyzeit. Dass man irgendwann wieder im Alltag ankommt und alles sich einspielt… Puh… Es tut so gut zu hören, dass es vielen anderen ähnlich geht. Danke dafür!
Mir geht’s ähnlich! Ich sitze hier und weine Rotzblubbern…nebenbei fröhliches Geplapper von den beiden Kleinen. Daran war bis vor einem halben Jahr nicht zu denken. Unsere Zwillingsdamen hatten einen holprigen Start ins Leben und haben bis fast zu ihrem ersten Geburtstag fast den ganzen Tag damit verbracht zu schreien. Ich fand es unerträglich…nicht zu wissen warum. Dem großen Bruder immer wieder sagen zu müssen, ich weiß es nicht. Ich habe jetzt keine Zeit für dich. Die Mädchen. Die Mädchen. Immer nur die Mädchen. Er hat wahrscheinlich noch mehr gelitten als ich. Es gab keine Nacht ohne die beiden Kletten an mir : eine im Arm, eine auf der Brust. Es gab einfach keinen ersichtlichen Grund. Etwas besser wurde es, als ich zwischenzeitlich nicht stillen durfte. Also noch ein Tiefschlag: abstillen obwohl wir so lange dafür gekämpft haben, dass es endlich klappt. Auch der Osteopath konnte mit ein wenig helfen. Dazu “Tipps” wie “lass sie doch mal schreien. Sie haben doch sich und du verwöhnst sie viel zu sehr. Ich würde auch weinen wenn ich wüsste, ich werde sofort auf den Arm genommen!” Ich weiß bis heute nicht, was sie hatten. Inzwischen ist es auch gar nicht mehr wichtig…daran zurückdenken tue ich trotzdem nur sehr ungern. DANKE für die schönen Worte. Und ja: wir sind genug!
Liebe Mamas,
ich habe mir jeden Kommentar zu diesem tollen Text durchgelesen und so viel Mutterliebe zwischen den Zeilen entdeckt! Mein Sohn ist 6 Monate und schreit wenig. Wenn er mal schreit, weine ich oft mit, gerade wenn es ein Schrei vor Hunger oder Leid ist… wenn es mal nicht schnell genug geht oder ich doch mal eingeschlafen bin und nicht schnell genug reagiere. Mein Sohn schläft seit seiner Geburt nur maximal 2 Stunden am Stück und am Tag nur auf mir beim Stillen. Er lässt sich leider auch nicht ablegen und ist ein Tragling wie er im Buche steht. Schlafmangel und ein schreiendes Baby sind Dinge, die auch die stärkste Mama mal umhauen. Und keine Mama sollte ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie dann mal für ein paar Minuten liegen bleibt. Aber genau das ist ein Lernprozess und hier sollten wir im besten Fall mit unseren Kindern gemeinsam wachsen. Als liebende Eltern kann man nix falsch machen! Nehmt eure Babys wann und so oft ihr wollt in den Arm. Und wenn zu mir jemand sagt, du verwöhnst dein Baby, dann sage ich: “Ja und zwar nach Strich und Faden”! LG
Hallo Jule,
über Felicitas und Instagram bin ich hier bei dir gelandet, fühle mich gerade durch diesen Post innerlich unglaublich bewegt und möchte deshalb einen Kommentar hinterlassen.
Als mein erster Sohn geboren wurde, war ich 24 Jahre alt, hatte sehr klare Vorstellungen vom Leben mit dem Kind und war – genau wie du überzeugt davon, dass die Eltern niemals ihr Baby schreiend allein lassen dürfen.
Mein Kind war ein zufriedenes, ruhiges Baby. Ein regelrechtes “Anfängermodell” ;o)
Nur abends, zum Einschlafen, da schrie er. Auf dem Arm, bei Papa, bei Mama (auch bei Oma, die glaubte, es besser zu können), geschuckelt im Kinderwagen, in der Wiege, bei und mit uns im Bett – sogar an der Brust. Egal was wir taten, er schrie. Stundenlang.
Es kostete enorm viel Kraft, dies mit ihm auszuhalten, denn wir litten nicht nur mit dem verzweifelten, völlig übermüdeten Kind, sondern kamen ja auch selbst dadurch nicht in den Schlaf. Ich war sooo erschöpft.
Als er 4 Wochen alt war, entschied ich, auszuprobieren, ihn schreien zu lassen: Kind ins Bett, Licht aus, Spieluhr 1.x an, Mama raus, Kind schrie. Spieluhr zu Ende, ein 2.x an – und kurz vor dem 2. Ende ging plötzlich das Schreien in brummeln über. Etwas später: Ruhe. Unglaublich, das Kind schlief.
So lief das von nun an bis ins Krabbelalter (dann war das Schreien schlagartig vorbei) jeden Abend. Ich bin überzeugt, dass sich mein Sohn die Anspannung im wahrsten Sinne vom Leib geschrien hat und wir lenkten ihn ab und hielten ihn durch unsere Gegenwart sogar wach.
Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder, der bis ins Schulalter oft auf mir einschlief, fand der Ältere auch später nur allein für sich zur Ruhe. Das hätte ich im Vorfeld nie für möglich erachtet und der Sohn hatte viel Mühe, es uns zu lehren… Heute ist der kleine Schreihals von damals ein (toller) erwachsener Mann…
Mein Fazit:
Jedes Kind ist anders und es gibt nicht DEN Weg und DEN Rat. Es ist wichtig, einfühlsam und sensibel die kindlichen Bedürfnisse zu erspüren und dann Vertrauen in sein Kind und in sich selbst zu haben. Darin sollten junge Eltern bestärkt werden!
Herzlicher
Claudiagruß
Hallo, danke für diesen schönen Text. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass das Schreien meines ersten Kindes mich tief erschüttert hat. Ich wollte es weghaben, alles tun, damit das Weinen aufhört. Wie gut tat es, als ich Unterstützung bekam, ihn beim Schreien zu halten, ihn weinen zu lassen, wobei ich ihn begleitet habe. Ich brauchte dafür jemanden, der mich hielt und alle meine Gefühle, die durch das Weinen aufkamen halten konnte. Das wünsche ich allen Eltern. Das war eine sehr entlastende Erfahrung. Diese Hilfe bekommt man unter anderem bei Therapeuten, die emotionelle erste Hilfe anbieten. Sehr empfehlen kann ich auch das Buch “Auf die Welt gekommen” von Thomas Harms. Schöne Grüße!
Danke für deine Worte. Was du schreibst tut einfach gut.