Das Thema Fehlgeburt ist nach wie vor ein Tabuthema. Viele Frauen sprechen nicht darüber. Dabei gibt es so viele Frauen, die eine Fehlgeburt erlebt haben. Es gibt unterschiedliche Zahlen, wie viele Schwangerschaften nicht glücklich – also mit einem lebendigen Kind enden, aber man geht davon aus, dass bis zu jede 5. Schwangerschaft still endet. Manche davon schon nach wenigen Tagen, die meisten in den ersten drei Monaten und einige danach. In den meisten Fällen findet man den Grund dafür nicht heraus und so gut wie nie hat das Verhalten der Schwangeren damit zu tun. Meist sind es in den ersten Wochen genetische Gründe beim Kind, die nicht mit dem Leben vereinbar sind.
Darum soll es aber in diesem Artikel gar nicht gehen. Sondern darum, wie es Frauen in dieser Situation geht. Natürlich ist das Erleben einer Fehlgeburt sehr individuell und kann damit zusammen hängen, ob die Schwangerschaft erwünscht und erträumt war oder nicht, ob die Frau schon Kinder hat oder nicht und natürlich auch wie die Weltanschauung und der Glaube der Frau ist. Viele Frauen erleben Trauer, Verlust und Enttäuschung. Andere stehen der Fehlgeburt rational und abgeklärt gegenüber. Es gibt kein angemessenes oder unangemessenes Empfinden in dieser Situation.
Oft wird in die Bewertung der Trauer die Schwangerschaftsdauer einbezogen. So habe ich schon von Frauen gehört: „Naja, ich war ja erst in der 6. Schwangerschaftswoche, da war es ja noch nicht einmal ein echtes Kind. Es war ja noch ein Zellhaufen. Das hat mein Frauenarzt auch gesagt. Ich sollte einfach weiterleben und mich nicht so da rein steigern. Außerdem kann ich ja auch noch mal schwanger werden!“.
Ich möchte dieser allgemeinen Annahme wiedersprechen. Es ist EGAL wie weit die Schwangerschaft voran geschritten war. Es ist EGAL ob die Frau schon Kinder hat oder nicht. Es ist EGAL, ob die Schwangerschaft bisher aus biologischer Sicht ein Zellhaufen und kein Kind ist. Denn:
Eine Frau, die einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hält, denkt: „Ich bin schwanger! Ich werde ein Kind bekommen. Ich werde Mutter.“. Ganz gleich, ob sie sich darüber freut oder nicht, ob diese Schwangerschaft gewünscht war oder nicht. Ich habe noch nie eine Frau erlebt die mit der Nachricht, dass sie schwanger ist im ersten Moment assoziiert hat: „in meinem Körper spielen sich hoch komplexe, biologische Prozesse ab und in meiner Gebärmutter findet gerade eine rasante Zellteilung statt und ein Zellhaufen hat sich eingenistet.“ Das stimmt natürlich und das ist auch vielen Frauen bewusst. Aber es ist nicht das, was wir fühlen und empfinden wenn wir von der Schwangerschaft erfahren. Denn dann geht es darum, dass da eine kleine Seele zu uns kommt. Ein Kind. Das unser Leben auf den Kopf stellen und uns zur (Mehrfach-) Mutter machen wird.
Und wenn eine Schwangerschaft still endet, dann ist es das was Platzt. Das Platzen des Traumes, der Phantasie, der Hoffnung oder auch der Angst Mutter dieses Kindes zu werden. Ganz gleich was das für jede Frau im Einzelnen bedeutet. Eine Schwangerschaft die kein glückliches Ende findet bedeutet immer das Zerplatzen einer Erwartung. Und oft eines Traumes, eines Wunsches, einer unendlichen Hoffnung.
Die Gewissheit, dass dieses Kind nicht in unseren Armen liegen wird ist es, die viele Frauen sehr traurig macht. Und jede Frau hat das Recht über einen geplatzten Traum, Wunsch oder Hoffnung zu trauern. Niemand hat das Recht darüber zu urteilen, ob das angemessen ist oder nicht.
Noch einmal: Traurigkeit und Enttäuschung sind keine rationalen Abläufe. Sie sind nicht an Zahlen oder Fakten geknüpft. Es ist egal, die wievielte Schwangerschaft es war, wie weit die Schwangerschaft schon vorangeschritten war oder was in Zukunft geschehen wird.
Die Mutter muss dieses Kind verabschieden. Dieses Kind, das biologisch vielleicht noch kein Kind war. Aber sehr wohl ein Herzenskind seiner Mutter. Jede Mutter darf für sich den passenden Weg finden damit um zu gehen. Vielen Frauen würde es sicher helfen darüber zu sprechen. Sich mit anderen aus zu tauschen. Aber was ganz sicher jeder Frau gut tut ist zu wissen, dass es okay ist. Es ist okay zu fühlen, was man fühlt. Ohne wenn und aber. Wann da Traurigkeit ist, darf sie da sein. Und wenn da keine Traurigkeit ist, ist das auch ok. Aber es gibt keinen Grund sich zu verstecken. Sich zu rechtfertigen oder zu disziplinieren. Dein Weg mit deiner Geschichte umzugehen ist gut. Genauso wie du gut bist. Gut genug.
Eine Frau kann nach einer Fehlgeburt Hilfe in Anspruch nehmen. Als allererstes empfiehlt es sich eine Hebamme zu kontaktieren. Wir sind dafür ausgebildet Frauen auch in dieser Situation unterstützend zur Seite zu stehen und die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Denn auch bei dem organisatorischen Ablauf nach einer Fehlgeburt gibt es verschiedene Wege (nicht immer muss zum Beispiel ein Klinikaufenthalt und Eingriffe stattfinden, viele Frauen werden darüber nicht ausreichend von ihrem Frauenarzt aufgeklärt).
(Nicht alle Hebammen bieten die Begleitung und Beratung nach einer Fehlgeburt an- kennen aber vielleicht eine Kollegin die dies tut.)
Vielleicht magst du deine Gedanken zu diesem Artikel teilen? Ich freue mich von dir zu lesen. Alles Liebe, Jule
Ein sehr einfühlsamer Artikel über ein Thema, das sicherlich wirklich viele betroffene Frauen nicht ansprechen, weil sie glauben, dass darüber reden sie noch mehr verletzt oder weil sie kein Mitleid möchten oder vielleicht insgeheim doch denken, dass sie ein klein wenig daran Schuld sind, dass ihr Kind nicht weiterleben konnte. Danke, dass du es ansprichst.
Wow… Sehr schön geschrieben! ❤️
Jule, das hast du sehr schön geschrieben. Für mich klare und wahre Worte. Ich bin ausgebildete Hebamme, danach aber einen anderen beruflichen weg gegangen. Was mich nach wie vor immer wieder traurig macht, ist mitzuerleben (auch im Freundeskreis) wie wenig schwangere Frauen in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Selbstbestimmtheit bestärkt werden. Mündige, mutige Frauen werden mit der Schwangerschaft unsicher und ängstlich. Und die Ärzte und auch einige Hebammen sehen das nicht, fahren ihr Programm und die Schwangeren, aus nachvollziehbarer Angst und Unsicherheit folgen. Und erst hinterher merken sie, was ihnen nicht gut tat und was sie sich anderes gewünscht hätten. Deine Arbeit hier auf dem Blog, deine Worte machen hoffentlich vielen Frauen Mut auf ihr Herz und ihren Instinkt zu hören. Mach weiter so! Du machst das toll!
Liebe Jule,
Ganz genauso sehe ich das auch. Du hast das Thema wunderbar in Worte gefasst. Auch ich habe diese Erfahrung gemacht und nach einem unserer Inseminationsversuche einen Abort in der 7. SSW gehabt und von allen Seiten nur das Gleiche gehört (ist doch nicht so schlimm, es war doch noch so früh, besser als in der 16. Woche oder so …. – passt übrigens auch zu deinem Post zum Thema wie wir unsere Kinder trösten, als Erwachsener möchte man so auch nicht getröstet werden). Auch das Kind damals war ein Herzenskind und es fehlt mir innernoch. Es fehlt in unserer Gesellschaft einfach (sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen) das Mitgefühl, das Verständnis und das Zulassen von Traurigkeit und Gefühlen. Ich versuche alles, dieses sowohl bei meinem Kind als auch bald wieder im Beruf anzubringen und beizubringen und hoffe, dass sich irgendwann in den Köpfen etwas ändern wird. (Wird es wahrscheinlich nicht aber ich hoffe…. )
Liebe Grüße
Jana
Liebe Jule Zauberschön,
in der Tat sind still endende Mutterhoffnungen nicht so selten wie man denkt wenn man sich das Thema noch nie zu Herzen genommen hat.
In meinem Freundeskreis gehen wir offen damit um.
Damit man getröstet wird. Damit man weinen darf. Oder rational erklärt und ein Nicken erhält. Oder zusammen nochmal Achterbahn fährt, ganz real, was schwanger nicht gegangen wäre. So ging es mir.
Nach dem Abschied meiner Mücke, ganz natürlich in der sehr frühen Schwangerschaft, war ich einen Abend todtraurig. Wurde vom nicht-mehr-werdenden Papa getröstet und gehalten.
Um diese unfreiwillige Unabhängigkeit auszunutzen waren wir ein paar Tage später Achterbahnfahren.
Und an diesem ausgelassenen Tag entstand abends unser 2.Wunder.
Und dieser Wunderschön zerrt soeben mit seiner kleinen Schwester an meinen Socken. Jeder an einem. In Gedanken hab ich gerade 3 Füße und Socken. Denn ich habe im Herzen 3 Kinder. Doch wehmütig bin ich nicht sondern dankbar für die 2 entwickelten Seelen.
Allen Frauen soll gestattet sein sich so zu fühlen wie ihr Herz es möchte. Traurig, rational, hoffnungsvoll oder niedergeschlagen. Denn wir alle haben ein eigenständiges Herz unter dem irgendwann hoffentlich etwas wachsen darf.
Traurigkeit, Schmerz, Enttäuschung, Verzweifelung all das wird in unserer Geselschaft niht gern gesehen, es wird als ein Zeichen der Schwäche abgetan – dabei ist Trauer zeigen so eine starke Eigenschaft.
Man kann einfach nicht nur ein wenig Mama sein. Jede Frau, die den Beginn einer Schwangerschaft erlebt hat, trägt dieses Wunder auch gleichzeitig in ihrem Herzen – für immer! und ich glaube, wir wissen welche unsagbar großen Kräfte in uns wirken können, wenn eines unser Kinder in Gefahr ist – wozu wir als Frauen fähig sind um unsere Kinder zu beschützen. Dieser Mutterinstinkt, der sowohl unendlich fürsorglich und liebevoll als auch kraftvoll und beschützend sein kann, tritt nicht erst mit der Geburt eines Kindes ein! Wir sind alle “Mama” von der ersten Schwangerschaftswoche an.
Vielen Dank liebe Jule, dass du dieses wichtige Thema so feinfühlig zur Sprache gebracht hast.
Alles Liebe
Liebe Jule,
vielen Dank für deine liebevollen Worte. Auch ich musste leider diese Erfahrung machen (8. SSW) und dank meiner wunderbaren Hebamme durfte ich daheim bleiben und musste nicht in die Klinik. Sie war immer für mich da – egal wann.
Aktuell bin ich mit unserem 4. Kind (eigentlich müsste ich sagen, 5. Kind) in der 9. Woche schwanger. Seit dieser Fehlgeburt damals, herrscht ständig die Angst, dass es wieder passiert. Und diesmal ist es noch der gleiche ET wie damals. Es scheint, als wolle dieses Kind unbedingt zu uns. Wir freuen uns darauf und hoffen, dass es diesmal bleibt.
Vielen Dank, dass es Hebammen wie dich gibt.
Franziska
Ich kenne in meinem Freundes- und Familienkreis viele Frauen, die ein Kind haben gehen lassen und/oder haben gehen lassen müssen. Für keine war es leicht/eine leichte Entscheidung und keine gind danach einfach so ihr Leben weiter. Es begleiten einen – fortwährend. Umso wichtiger und schön finde ich es, dass du das hier ansprichst und kann (nur aus Beobachtung) schreiben: ja gibt diesem Kind, dieser Seele, welche sich warum auch immer entschied doch nicht zu inkarnieren, einen Platz im Herzen und in eurem Leben – sei es eine Kerze, die immer in Sichtweite steht, ein Bild welches ihr mit dem Seelchen assoziiert, verabschiedet euch auf eure Weise- mit einem Brief, einem Schiffchen aus See etc. ehrt es und tröstet euch und vertraut dem Leben. Nichts passiert ohne Grund, auch wenn es sich nicht immer erschließt. Ganz viel Kraft und Zuversicht allen Frauen die diese Erfahrung im Leben machen.
Auf den Punkt gebracht. Ein toller Blogeintrag und so so wahr. Ich musste diese Erfahrung letztes Jahr dreimal erleben. Sprüche wie, du bist ja noch jung oder es wird schon wieder klappen oder du warst ja zum Glück noch nicht so weit sind einfach nicht passend.
Ich empfinde einfach nur Sehnsucht, Angst und Wut. Wut das mir meine Unbeschwertheit genommen wurde sowie mein Urvertrauen in mich selbst.
Danke für den so wichtigen Beitrag.
Ein sehr schöner Beitrag, sehr einfühlsam. Ich hatte auch 2 Fehlgeburten, ich hatte auch schon Kinder aber trotzdem ist mir der Abschied sehr schwer gefallen, denn in meinem Herzen waren sie meine Babies. Zu der Zeit gab es das mit der Betreuung noch nicht (1993 und 1998), jedenfalls wusste ich nichts davon. Es wäre schön gewesen mit einer Hebamme darüber zu reden. So musste ich den Schmerz alleine verarbeiten und für die Familie stark sein. Die Babies, die ich nicht kennenlernen durfte leben in meinem Herzen weiter und ich bin mir sicher, sie im Himmel wieder zu sehen. Das tröstet mich sehr. Ihr seid ganz tolle Frauen, ihr Hebammen.
Vielen Dank für den Artikel, liebe Jule. Deine Worte sind mir direkt ins Herz gegangen und gibt mehr sehr viel Selbstvertrauen. Anfang des Jahres habe ich an meinem Geburtstag einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen gehalten und wir konnten unser Glück nach einem knappen Jahr “üben” kaum fassen. Als ich es kurze Zeit später verlor ist meine Welt zusammen gebrochen, ich habe das Gefühl, versagt zu haben und bin unendlich traurig…aber es war noch so früh, dass ich mich kaum traute das Thema anzusprechen… Danke dass du meine Trauer rechtfertigst!
Das ist ein schöner Artikel, viel zu wenige trauen sich darüber auch zu schreiben…
Ich stehe auf der anderen Seite, habe mein Kind nicht früh sondern spät verloren, kurz vor ET. Mit zerreißt es jedes Mal das Herz wenn mir eine Mama mit früher Fehlgeburt schreibt, dass mein Erlebnis schlimmer wäre, mein Kind mehr Kind war. Unterm Strich sind wir alle Mamas ohne ihr Baby, egal welche Woche. Ich schreibe über meine Erlebnisse in meinem Blog und es tut mir gut. Aber ihr Hebammen seid unersetzlich in so einer Situation!
Liebe Grüße Gina
Dein Beitrag hat mich sehr berührt und ich danke dir für deine so passenden Worte! Es ist wichtig, dass dieses Thema kein Tabuthema bleibt. Ich hatte selber vor kurzem eine Fehlgeburt in der 9. Woche und war bzw. bin sehr traurig darüber. Die (wenn auch gut gemeinten) üblichen Sätze anderer helfen einfach nicht. Von daher hat mir der Austausch mit anderen Betroffenen und die Betreuung meiner Hebamme gut getan. Vergessen wird man so einen Verlust wohl nie, aber ich bin optimistisch, dass einen die nächste Schwangerschaft etwas darüber hinweg tröstet. Vielen Dank, liebe Jule, für deine Arbeit – ihr Hebammen seid goldwert!
Rachel
Wunderschön wie du es in Worte fasst! Heute kann ich sagen, ich bin Mama von zwei Kindern. Eines an der Hand das andere im Himmel aber vor drei Jahren als unser erstes Kind in der 9. Woche ging war es für mich das schlimmste was ich bis dahin erlebt hatte. Meine Frauenärztin war toll, sie gab mir die Möglichkeit das Kind Zuhause zu bekommen, ganz ohne Klinik und was damit verbunden ist. Aber wie sehr hätte ich mir da eine Hebamme an meiner Seite gewünscht die nicht nur das Medizinische überwacht sondern uns begleitet in diesem Abschied.
Danke für Deine tollen Worte!