Kaum ist eine Frau schwanger wird bei dem ersten Kontakt mit der Hebamme oder dem Frauenarzt ein errechneter Geburtstermin bestimmt. Der liegt je nachdem wie weit die Schwangerschaft schon voran geschritten ist in ferner, ferner Zukunft. Und dennoch wird da ein ganz konkreter Termin festgelegt. Ein fixer Tag, der sich bei den meisten werdenden Müttern und Vätern ins Gehirn brennt. Dieser Termin ist in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder ein wichtiges Thema und bekommt ganz unterschiedliche Namen. Dieser Termin wird dann „Geburtstermin“ genannt oder „vorraussichtlicher Geburtstermin“. Frauen sagen: „unser Kind hat am 22.5. Gebutstag“ oder „Das Baby soll am 22.5. kommen.“
Das alles zeigt, wie sehr wir uns auf einen Termin fixieren, der gar nicht fix ist. Ganz im Gegenteil! Dieser Tag, der da berechnet wird, ist der ERRECHNETE GEBURTSTERMIN. Also ein Termin, der errechnet wurde. Er dient der groben Orientierung. Verschwindend gering ist die Zahl der Kinder, die tatsächlich an dem errechneten Termin geboren werden. Statistisch sind es unter 10 Prozent der Kinder, die an diesem Tag, der so fest in den Köpfen herumspukt, geboren werden. Sind das nun die Vorzeigekinder? Sind die, die vor diesem Termin geboren werden zu früh? Und die, die nach diesem Termin geboren werden zu spät?
Natürlich nicht!
Der errechnete Termin ist der Mittelwert eines Geburtszeitraumes! Gesunde Kinder haben einen Zeitraum von 28. Tagen, also 4 Wochen in denen sie geboren werden. Dieser Zeitraum beginnt 14 Tage vor dem errechneten Termin und endet 10-14Tage nach dem errechneten Termin! Alle Kinder die in diesem Zeitraum geboren werden, sind genau pünktlich! Und wenn man sie lässt, werden sie genau zu dem Zeitpunkt geboren werden, der für sie richtig ist. Vorausgesetzt natürlich, dass Mutter und Kind gesund sind.
Viel richtiger und wichtiger wäre es also einen Geburtszeitraum fest zu legen, in dem das Kind sich (höchst wahrscheinlich) auf den Weg machen wird. Etwa zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Das klingt für manche Frauen ersteinmal absurd an. „So ein langer Zeitraum? So unplanbar? Nein danke, dann bleibe ich lieber bei dem errechneten Geburtstermin.“ Sagte neulich eine Schwangere zu mir. Und ich kann sie verstehen. Denn alles, was vor einer Schwangeren liegt ist unklar. Wie wird die Geburt sein? Wie wird das Kind sein, dass da auf die Welt kommt? Wie wird es sein, wenn wir eine Familie sind? DA ist es tröstlich einen Fixpunkt zu haben. Doch diese Fixierung hat natürlich auch eine Schattenseite. Manche Frauen werden regelrecht von ihrem Kind überrascht wenn es 1-2Wochen vor dem Termin kommen. Dabei ist es völlig normal, gesund und statistisch genauso wahrscheinlich, wie dass das Kind am oder kurz nach dem Termin kommt. Weitaus schwieriger ist es für viele Frauen, wenn der Termin überschritten wird und das Kind noch nicht geboren. Da macht sich nicht selten eine Frustration breit. So lange war dieser Termin im Kopf. Mit ihm die Hoffnung, das Baby dann endlich im Arm zu halten. Und dann kommen noch die anderen dazu, die den Termin im Kopf haben. Und fragen: „ist das Baby etwa immer noch nicht da? Das lässt sich aber Zeit!“. Das stresst werdende Mütter und Väter noch zusätzlich sind sie doch selbst mindestens genauso ungeduldig wie die Verwandtschaft!
Und mir macht diese Erwartungshaltung den Ungeborenen gegenüber zu schaffen. Wir errechnen einen Termin für ihren Start ins Leben. Ohne zu wissen, wer sie sind und was sie mitbringen. Und wenn sie sich nicht an unsere (mathematische!) Rechnung halten (von der sie zum Glück nichts wissen!) machen sie es falsch. Sind zu früh. Oder zu spät. Dabei wissen sie noch nichts von Zeit. Von Kalendern, Uhren, Terminen und Druck. Aber den spüren sie. Schan gleich zum Anfang ihres Lebens.
Ich plädiere also im Sinne aller Beteiligten dafür, diesen fixen Termin in einen Zeitraum um zu wandeln. Weil es Entspannung für die werdenden Eltern bedeutet. Und Entspannung und Vertrauen für und gegenüber dem Kind schafft. Die Kinder kommen durch diese Veränderung der Sicht weder früher noch später. Sondern genau dann, wann sie kommen.
Ach und psssst: wenn man sich bei einer Schwangeren erkundigt, wann sie ihr Kind erwartet, kann man es am besten so sagen: „für wann ist der Geburtstermin berechnet?“ oder: „Wann erwartest du dein Kind?“. Die Frage: „wann kommt dein Kind?“ kann sie nämlich nicht beantworten. Genauso wenig wie jeder Arzt und Hebamme. Wenn es jemanden gäbe, der dies zuverlässig vorhersagen könnte, wäre dieser jemand ein reicher Mensch. Es ist nämlich nicht möglich. (Ausgenommen natürlich es wird ein Termin für einen geplanten Kaiserschnitt festgelegt. Bis zum Beginn der Geburt kann niemand vorher sagen wann genau das Kind das Licht der Welt erblicken wird.
Liebe Jule, du sprichst mir aus der Seele. Alle meine drei Töchter kamen zwischen 9 und 11 Tagen “zu spät” und das Warten, das Nachfragen der Bekannten und der Frust über das Überschreiten des Termins waren wirklich nervenaufreibend. Daher wäre ich damals wirklich froh gewesen, wenn es einen Zeitraum und keinen Zeitpunkt gegeben hätte.
Herzliche Grüße, Stephanie
Liebe Jule,
Ich (auch Hebamme und Ärztin) sehe das absolut genauso wie du und plädiere auch schon sehr lange für die Änderung des e.T. auf einen Zeitraum und nicht auf einen bestimmten Tag. Dann kommt nur mein ABER: wie macht man das dann rechtlich ? Mutterschutz? Mutterschaftsgeld? Arbeitgeber? Krankenkasse? Usw….. dabei ist es sehr schwierig, für diese Dinge einen vier Wochen Zeitraum zu nutzen. Wie gesagt, ich sehe das genauso wie du und habe es auch immer bei ‘meinen’ Vor – und Nachsorgen thematisiert. Es wird und muss für bestimmte Regelungen einfach EIN Datum bleiben aber in unserer Arbeit können wir den Frauen und Paaren und Familien vermitteln, wie es für sie und das Baby besser und einfacher wäre, den Zeitpunkt der Geburt zu erwarten.
Beste Grüße
Jana
Ich stimme Dir vollkommen zu. Als ich schwanger war, habe ich bewusst allen Leuten einen späteren Termin genannt und diesen sogar nur “Anfang Dezember” genannt. Ich hatte keine Lust auf ständige Fragen.
Die kamen natürlich trotzdem und teilweise sehr ungehalten. “Ich will aber wissen, wann das Kind GENAU kommt.”
“Die werden Dir ja wohl ein Datum gesagt haben.”
Falls es noch zu einer zweiten Schwangerschaft kommt, werde ich es wieder so machen.
Liebe Jule,
Bei meiner Tochter gab es 3 errechnete Termine im Laufe der Schwangerschaft und meine Frauenärztin wurde nie müde zu erwähnen, dass das nur eine ca. Angabe ist. Mein Mann und ich haben auch fast niemandem den errechneten Termin gesagt, denn für uns, besonders für mich, stand fest, dass das Kind kommt wenn es kommt. Sophia hatte einen errechneten Termin für Anfang/Mitte November und wenn ich doch mal sehr ungeduldig oder zum Schluss dann auch genervt war habe ich mir immer vor Augen geführt, dass ich mein Kind an Weihnachten auf jeden Fall in den Armen halten werde. Das hat mir sehr geholfen, dieses Bild zu haben. Am späten Abend des letzten errechneten Termins bekam ich dann tatsächlich auch Wehen und am Abend des nächsten Tages hielt ich sie in meinen Armen. letztendlich lernt man schon damit, dass man mit Kind nicht alles planen kann und es meist ganz anders kommt als man es sich denkt.
Liebe Grüße
Stefanie
Liebe Jule
So ein schöner Text! Meine Maus ist Ende Dezember 2015 zur Welt gekommen. Um die ständig nervige Fragerei zu umgehen, hatte ich keinem den ‘genauen ET’ genannt. Sie kam 10 Tage nach ET. Ich war so gerne schwanger und tat mich schwer mit dem Abschied nehmen vom Bauch, vielleicht hat sie auch darum etwas länger gewartet:)
Meine FA meinte von Beginn an immer ‘Mädchen kommen früher’ – das baut eine total unrealistische Erwartung auf! Meine Hebamme konnte mir damals zum Glück gut die Augen öffnen!
Schön gibt es euch!! xx
Liebe Jule,
ich muss immer schmunzeln wenn ich erzähle wie groß mein erstes Kind auf die Welt kam. Fast 60cm lagen abends nach 5 intensiv schönen Geburtstunden auf meiner Brust.
Und sofort stellt man die Frage: “Der war doch drüber oder?”
Um ehrlich zu sein wurde er vor ‘dem Termin’ eingeleitet.
Meine Hebamme und liebste Freundin war ein wenig wehmütig über den chemischen Start. Hätte sie mir doch einen 100% natürlichen Verlauf gewünscht. Aber wir beide waren uns einig: noch 7-10 Tage länger und eine spontane Geburt wäre fraglich.
Also kam er am Termin.
Und war reif fürs Leben.
Er selbst brauchte nur eine Einladung dass es bei mir im Arm ebenso schön ist.
So finde ich es schön wenn man nicht am Termin festhält sondern durch Untersuchungen mal schon vor dem ‘Stichtag’ stupst oder es noch lange drüber im Bauch kuscheln lässt.
Denn es ist nur ein normaler Tag. Damit wir fiebern dürfen.
Aber uns nicht verrückt machen sollten.
Danke für diese Worte. Ich bin jetzt laut dem errechneten Termin 5 Tage drüber! Also bei mir ist kein Stress in Sicht! Wann es kommt, dann kommt es! Aber bei meinem Mann und auch bei aussenstehenden höre ich immer wieder, das kind will nicht kommen, es is zu faul und bla bla bla…
Ich denke mir, das wichtigste ist das es dem Baby und mir gut geht und das wird ja regelmässig kontrolliert.
Liebe Grüße
Anna